Freitag, 12. Dezember 2014

Heute gelangt Nordrhein-Westfalen zunehmend in den Einflussbereich eines Sturmtiefs Freitag, den 12.12.2014

Heute gelangt Nordrhein-Westfalen zunehmend in den Einflussbereich eines Sturmtiefs, das sich von Irland über den Ärmelkanal in Richtung Nordsee verlagert.(SCHWERER) STURM/ORKANARTIGE BÖEN: Heute treten im Flachland verbreitet STURMBÖEN (75 bis 85 km/h (Bft 8-9)) auf; im Westen sowie in Hochlagen sind auch SCHWERE STURMBÖEN (90 bis 100 km/h (Bft 10)) möglich. Vereinzelt sind auf freien Berggipfeln orkanartige Böen bei 110 km/h (Bft.11) nicht ausgeschlossen. DAUERREGEN: Durch länger anhaltenden Regen kann sich von Freitagvormittag bis in die Frühstunden des Samstag vor allem in den Weststaulagen von Eifel, Bergischem Land und Siegerland eine Dauerregensituation mit Niederschlagsmengen zwischen 30 und 40 Liter pro Quadratmeter in 24 Stunden einstellen. 
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Die stürmische BILLIE

Es wurde ja bereits seit Tagen angekündigt und erwartet, dass der
heutige Freitag besonders in der Mitte und im Norden Deutschlands ein
teils stürmischer Tag werden würde. Und auch wenn es für die Bewohner
Norddeutschlands jetzt kein außergewöhnlich starker Sturm sein wird,
so sorgten die vergangenen sehr ruhigen Wochen dafür, dass sich
dieser Wetterwechsel deutlich bei jedermann bemerkbar machen wird.
Wie so oft stellt man sich nun die Frage, welches "Wetterungetüm"
genau für diesen windigen Wetterabschnitt verantwortlich gemacht
werden kann.

Um die Ursachen verstehen zu können, muss man seinen Blick nach
Westen richten, dorthin wo für uns über das Jahr gesehen in den
meisten Fällen das abwechslungsreiche Wetter seinen Ursprung hat. In
den vergangenen Themen des Tages (9. und 10.12.), aber auch in den
entsprechenden synoptischen Übersichten wurde von einem kräftigen
Tiefdruckgebiet namens ALEXANDRA berichtet. Dieses Tiefdruckgebiet
bildete sich am 8.12. südlich von Grönland und zog im Verlauf des
9.12. unter beachtlicher Verstärkung über Island in das südliche
Gebiet des Europäischen Nordmeeres. Auch wenn man auf Island
sicherlich einiges an Wind gewohnt ist, so waren Böen um oder teils
deutlich über 150 km/h in einigen Bereichen der Insel auch dort
sicherlich nichts Alltägliches. Durch die Orographie angefacht konnte
die Windgeschwindigkeit lokal extreme Werte erreichen, wie einige
Stationen im Nordwesten der Insel im Verlauf des Nachmittags zeigten
(Botn i Sugandafirdi (270 m) über N.N. mit über 220 km/h oder
Gemlufallsheidi (250 m über N.N.) mit 205 km/h). Dieser mächtige
Orkan sorgte nun rückseitig für einen markanten Ausbruch polarer
Luftmassen von Grönland, wobei eisige Luftmassen mit Werten von
deutlich unter - 10 Grad Celsius über den Nordatlantik südwärts
geführt wurden. Hiermit wurde nun der Grundstock für unseren windigen
Tag gelegt.

Wieso das? Tiefdruckgebiete benötigen Bereiche mit
Temperaturgegensätzen. Je ausgeprägter diese sind, umso stärker kann
die mögliche Tiefdruckentwicklung ausfallen. In diesem Fall sorgte
das Azorenhoch dafür, dass warme und feuchte Luftmassen über dem
nördlichen Atlantik nach Norden geführt wurden, die auf die südwärts
stoßenden kalten Luftmassen trafen. Es konnte sich eine ausgeprägte
Luftmassengrenze ausbilden, die von Neufundland quer über den
Nordatlantik bis zur Biskaya reichte. Jetzt wurde nur noch eine
Störung entlang dieser Luftmassengrenze benötigt, die dafür sorgt,
dass sich diese gegensätzlichen Luftmassen vermischen, also die warme
Luft nach Norden geführt wird, während die kalte Luftmasse rückseitig
nach Süden gelenkt wird.
In der Nacht zum Donnerstag (10. auf den 11. Dezember) war dies rund
1000 km östlich von Neufundland der Fall, wo eine schwache Verformung
der Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks) in den Modellkarten
ausgemacht werden konnte. Diese Störung konnte nun als eine "Welle"
bezeichnet werden und als sie ein eigenständiges Tiefdruckzentrum mit
abgeschlossenen Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks) entwickelte,
erreichte sie das Stadium eines Randtiefs. BILLIE war über dem
nördlichen Atlantik geboren.
Die Bereiche mit entsprechend markanten und hochreichenden
Temperaturgegensätzen (in der Meteorologie als Frontalzone bekannt)
beherbergen auch sehr hohe Windgeschwindigkeiten in großen Höhen.
Dies war auch bei BILLIE der Fall, bliesen doch die Winde in 8 bis 9
km Höhe mit über 250 km/h von West nach Ost. Kein Wunder, dass sich
das Randtief entsprechend rasch nach Osten verlagerte.

Im Verlauf der vergangenen Nacht überquerte BILLIE Irland und
Großbritannien rasch von West nach Ost und sorgte besonders entlang
des Ärmelkanals und dem Norden Frankreichs für teils schwere
Sturmböen um 100 km/h (Bft 10). Ausgangs der Nacht zum heutigen
Freitag erreichte BILLIE dann die Nordsee und wird im heutigen
Tagesverlauf zügig weiter nach Nordosten ziehen.
Dabei wird im Flachland von Norddeutschland und der Mitte ein stark
auffrischender Südwestwind erwartet, wobei auch wiederholt mit
Sturmböen bis 85 km/h (Bft 9) gerechnet werden muss. Besonders
entlang der Küstengebiete, aber auch im oberen Bergland werden
schwere Sturmböen, teils auch orkanartige Böen bis 110 km/h (Bft 11)
erwartet. Auf dem Brocken treten teils extreme Orkanböen von über
140 km/h (Bft 12) auf.

Es muss gesagt werden, dass dieses Ereignis jedoch noch relativ
glimpflich verläuft. Um diese Aussage verstehen zu können, muss man
sich kurz vor Augen führen, was die Stärke eines Sturmwirbels
ausmacht. Es ist nicht nur die Tiefe des Kerndrucks (also der
Luftdruck im Tiefzentrum) sondern die Ausprägung des
Luftdruckgradienten, der die Stärke des Windes bestimmt (wobei
natürlich beides Hand in Hand geht, denn je tiefer der Kerndruck,
umso wahrscheinlicher ist auch ein entsprechend kräftiger
Druckgradient vorhanden). Steht dem Tiefdruckgebiet ein kräftiges
Hochdruckgebiet gegenüber, baut sich ein entsprechend starker
Luftdruckgradient auf, der für die starken Winde sorgt. In unserem
Fall stand BILLIE jedoch nur eine relativ schwache Hochdruckbrücke
gegenüber, die sich vom westlichen Mittelmeer über Italien bis zum
Schwarzen Meer erstreckte. Zudem sorgt das sich rasch abschwächende
Azorenhoch dafür, dass auch rückseitig von BILLIE der
Luftdruckgradient rasch aufgefächert wurde. Es gibt somit also
mehrere Gründe, wieso der Luftdruckgradient nicht so intensiv
ausfiel, wie er hätte ausfallen können.
Dies wird jedoch die Menschen in weiten Teilen Deutschlands heute
wenig interessieren, wenn sie sich dem windigen, teils auch
stürmischen Wetter aussetzen müssen. Es bleibt nur zu hoffen, dass
sich die Schäden durch BILLIE in Grenzen halten werden.

Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.12.2014
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