Montag, 11. August 2014

Sturmtief Bertha hat Duisburg verschont

Sturmtief "Bertha" teils zahm wie eine Katze, teils wild wie ein Löwe

Am gestrigen Sonntag sind die Ausläufer des ehemaligen tropischen
Wirbelsturms "Bertha" über Deutschland hinweg gezogen und haben den
Hochsommer zumindest vorübergehend beendet. Der Wirbelsturm gliederte
sich am Wochenende dem nordwesteuropäischen Tief "Thekla" an und
übernahm dessen Regie.

Auf der Südflanke von "Ex-Bertha", die sich gestern mit Zentrum über
den Britischen Inseln befand, wurde nochmals ein Schwall schwülwarmer
Luft aus südlichen Breiten nach Deutschland geführt. Mit
Sonnenunterstützung stiegen die Temperaturen im Osten und Südosten
bis auf Werte von 32 Grad. Von Westen näherte sich dann aber rasch
eine Kaltfront, die deutlich kühlere Luft im Schlepptau hatte. Sie
flutete Deutschland am Abend und in der Nacht zum Montag von West
nach Ost.

Doch diese Wetterumstellung ging nicht überall still und leise
vonstatten, denn die beiden Luftmassen zeigten deutliche
Temperaturunterschiede, sodass direkt an der Luftmassengrenze starke
vertikale Umwälzungen der Luft zu erwarten waren. Die kalte Luft
schiebt sich dabei unter die warme Luft und hebt diese. Je größer die
Temperaturdifferenz ist, desto stärker steigt die Luft demnach auf.
Dabei entwickeln sich dann hochreichende Wolken, die nachfolgend
kräftige Schauer und Gewitter bringen können, wobei wie in einem
Paternoster warme Luft in die Höhe transportiert werden und kalte
Luft gleichzeitig nach unten fällt.

Durch diese vertikale Luftumwälzung können größere
Windgeschwindigkeiten aus höheren Luftschichten als Böen zum Boden
gemischt werden. Da auch Sturmtief Bertha vor allem im Westen und
Norden ein ausgeprägtes Starkwindfeld in der Höhe mit
Windgeschwindigkeiten bis zu 100 km/h mit sich führte, ließ dies das
Auftreten von schweren Sturmböen und lokal auch orkanartigen Böen
erwarten.

Gleichzeitig war die vor der kalten Luft gelagerte warme Luft auch
sehr feucht, sodass die Wolken mit Werten von bis zu 60 l/qm über
einen hohen potentiellen Wassergehalt verfügten, der dann in
kräftigen Schauern und Gewittern als Niederschlag zum Boden fallen
kann.

Da zusätzlich Boden- und Höhenwind aus unterschiedlichen Richtungen
wehten und somit eine starke Windscherung vorlag, war ein hohes
Potential für die Ausbildung von sogenannten "Superzellen" bis hin zu
Windhosen oder Tornados gegeben. Von den Vorhersagemodellen wurden
dafür Signale hauptsächlich vorab der Kaltfront an einer
Konvergenzlinie (vgl. Konvergenz unter www.dwd.de -> Wetterlexikon)
prognostiziert.

Viele meteorologische Parameter ließen daher für Meteorologen den
Schluss zu, dass sich im Westen und Norden mit Durchzug der Kaltfront
plus vorgelagerter Konvergenz unwetterartige Gewitter mit Starkregen,
schweren Sturmböen und großkörnigem Hagel bilden würden. Insbesondere
die hohen Windgeschwindigkeiten waren ein großes Gefahrenpotential,
denn durch die volle Belaubung der Bäume kann der Wind diese voll
angreifen und wie Streichhölzer umfallen lassen.

In der Nachsicht mutete sich Bertha mit ihren Ausläufern vielerorts
jedoch wie eine zahme Katze an. Vor allem in Nordrhein-Westfalen und
Niedersachsen fielen die Gewitter an der Luftmassengrenze wesentlich
schwächer als erwartet aus. Auch die vorlaufende Konvergenz bildete
sich dort nicht, da dichte Wolken die dafür notwendige Einstrahlung
schon frühzeitig verhinderten.

Weiter südlich, im Bereich von Rheinland-Pfalz sowie in Süd- und
Mittelhessen, waren dagegen die Voraussetzungen für schwere Gewitter
gegeben. Von Frankreich her bildete sich schon am Vormittag vor der
Luftmassengrenze (Kaltfront) die besagte Konvergenzlinie aus, die
sich im weiteren Verlauf nach Rheinland-Pfalz und Hessen hinein
verlagerte. An dieser entwickelten sich in der Folge tatsächlich
schwere Gewitter. Diese gingen teilweise mit schweren Sturmböen,
lokal sogar orkanartigen Böen einher. In Bad Schwalbach im Taunus
(Hessen) wurde in diesem Zusammenhang eine sogenannte "Funnel Cloud"
beobachtet. Medien schreiben gleichzeitig von einer Windhose, die
mitten durch den Ort zog. Die Folge waren große Schäden. Allein in
Bad Schwalbach wurden über 60 Dächer abgedeckt. Aber auch von der
Pfalz über Südhessen hinweg bis nach Unterfranken sorgten
Gewitterböen mit Windgeschwindigkeiten bis zu 122 km/h (Weinbiet) für
große Windbruchschneisen im Waldbestand.

Der nachfolgenden Kaltfront fehlte dann jedoch im südlichen Teil
weitgehend die Energie, sodass die Wetteraktivität an dieser auf dem
Weg nach Osten sogar gebietsweise komplett ausfiel.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.08.2014

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